Eselsweg: Von Wildensee nach Großheubach


Wunderbar habe ich im knartschenden Bett der Pension geschlafen. Keine Push-Meldung hat mich aus dem Schlaf gerissen. Wie auch – ohne Netz? Das Frühstück gestaltete sich als Herausforderung: Ich erhielt von Frau Beck vier Brötchen, ebenso viele Scheiben Brot, anständig viel Butter und Quark, eine große Schüssel leckerer Marmelade, einen Wurst- und Käseteller, ein wunderbar weich gekochtes Ei (das merkte ich beim Mittagessen) und – ein riesiges Stück Apfelkuchen. Dazu gab es Orangensaft und einen gut erträglichen Kaffee.

Ich aß zwei Marmeladen-Brötchen, nahm ein üppig belegtes Brötchen und das Ei mit und kapitulierte vor dem Rest. Dann wanderte ich meines Wegs. Kaum war ich aus Wildensee raus, hatte ich EDGE.

Die Dreifaltigkeitslärche, deren drei auseinanderstrebenden Stämme irgendwas mit dem lokalen Aberglauben zu tun haben sollen
Die Dreifaltigkeitslärche, deren drei auseinanderstrebenden Stämme irgendwas mit dem lokalen Aberglauben zu tun haben sollen
So sieht die Dreifaltigkeitskirche am unteren Ende aus. Trotz des Schildes »Naturdenkmal« haben die lokalen Götzendiener eines ihrer vielen Götterbilder am Baum befestigt. Was für ein Frevel!
So sieht die Dreifaltigkeitskirche am unteren Ende aus. Trotz des Schildes »Naturdenkmal« haben die lokalen Götzendiener eines ihrer vielen Götterbilder am Baum befestigt. Was für ein Frevel!

Der Weg heute war wirklich schön. Dazu kam das angenehme Wetter – nicht zu heiß, aber ab und zu ein bisschen Sonnenschein. Nur wenige Forstwege musste ich begehen, und die gehörten fast immer zur angenehmeren Sorte. Größtenteils führte der Eselsweg aber auf verschlungenen Pfaden durch dunklen Wald. Dabei war er durchaus anspruchsvoll – es ging oft steil hinauf und hinab. Und gelegentlich konnte man erahnen, welche Wichtigkeit der Eselsweg einst hatte, da man stellenweise noch Reste eines Pflasters erkennen konnte.

Reste eines Straßenpflasters dokumentieren mitten im Wald die einstige Wichtigkeit des Eselswegs.
Reste eines Straßenpflasters dokumentieren mitten im Wald die einstige Wichtigkeit des Eselswegs.

Am Rande des Weges fanden sich immer wieder Hinweise auf den in dieser Region vorherrschenden Glauben. Das ist für mich als Norddeutschen schon ziemlich irritierend. Und: Überall, bei jeder Maria, bei jedem Jesus, brennen Kerzen. Mitten im Wald. Und ich wette, dass die auch dann noch brennen, wenn wir seit Wochen 30 Grad und null Millimeter Niederschlag hatten. Wenn irgendwann der Spessart abfackelt, hat die römisch-katholische Kirche Schuld. Aber dann war es sicherlich Gottes Wille.

Ob die aufgehäuften Steinchen wirklich eine Feuersbrunst aufhalten könnten?
Ob die aufgehäuften Steinchen wirklich eine Feuersbrunst aufhalten könnten?

An der Signalbuche machte ich Rast. Ich legte meinen Rucksack ab, hängte mein durchgeschwitztes Hemd auf meine Hilfs-Wäscheleine aus den beiden Wanderstäben und stellte fest: Genau an dieser Stelle hatte ich die hundert Kilometer voll. Noch elf Kilometer bis Großheuberg. Und dann wäre Schluss mit der Reise. Ich musste mir nur noch eine Unterkunft suchen. Das wollte ich vor Ort machen, Möglichkeiten gab es genug.

100 km auf dem Eselsweg!
100 km auf dem Eselsweg!
Nur noch 10 Kilometer bis zum Ende der Wanderung
Nur noch 10 Kilometer bis zum Ende der Wanderung

Der Abstieg Richtung Kloster Engelberg zog sich über Kilometer und ging mächtig in die Beine. Als ich kurz rastete, sah ich das größte wild lebende Tier, das ich auf dieser Wanderung gesehen habe. Es brach etwa 20 Meter vor mir rechts aus dem Gebüsch, überwand den Weg mit einem Riesensatz und sprang einen Baum hoch. Von dort fauchte es mich an und führte einen Tanz auf, den ich als Drohung interpretierte: ein grauschwarzes Eichhörnchen. Dann zischte es ab in die Baumkrone, von wo aus es weiter schimpfte.

Das Kloster! Endlich ein Bier!
Das Kloster! Endlich ein Bier!

Schließlich gelangte ich zum Kloster, wo der Eselsweg endet. Da ich von der Braukunst der Franziskanermönche schon dies und das gehört habe, ging ich in den Biergarten. Und tatsächlich: das Dunkle vom Fass war großartig. Und bei 2,90 Euro für einen halben Liter könnte man nicht mal meckern, wenn es nur so là là gewesen wäre.

Schluss mit Eselsweg - 111 km mit den eigenen Füßen erlaufen
Schluss mit Eselsweg – 111 km mit den eigenen Füßen erlaufen

Hier erreichte mich die Tagesschau-Eilmeldung, dass morgen zwischen 6 und 9 Uhr bundesweit die Lokführer streiken würden. Ei der Daus – und nu? Zu der Zeit wollte ich unterwegs nach Nürnberg sein, wo mich meine Frau und mein Sohn abholen wollten, denn es geht noch eine weitere Woche nach Berchtesgaden. Internet funktionierte mal wieder nicht, also auf gut Glück: Ich sollte heute noch nach Erfurt fahren, wo mich meine Schwiegereltern einsammeln würden.

Stundenlang im Zug? Jetzt? Mit müden Knochen? Und – ungeduscht? Es musste wohl so sein. Also trabte ich 612 krumme Stufen Stufen vom Kloster hinab in den Ort und stellte mich an eine Bushhaltestelle.

Blick zurück aufs Kloster. Links ein Ehrenmal für einen gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs.
Blick zurück aufs Kloster. Links ein Ehrenmal für einen gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs.

Der Bus brachte mich nach Miltenberg, wo es tatsächlich ein Reisezentrum gab, in dem ich für 60 Euro ein Ticket über Aschaffenburg nach Erfurt lösen konnte. In der ausgesprochen ungepflegten Bahnhofstoilette wusch ich mir notdürftig die Achseln und die Brust, dann schlüpfte ich in ein frisches T-Shirt. Kurze Zeit später rollte der Zug ein, der mich nach Aschaffenburg brachte. Und dort warte ich in diesem Moment auf meinen IC, der heute ca. 30 Minuten später einläuft. Der soll mich dann nach Würzburg transportieren. Ob ich dann noch eine Bahn nach Erfurt bekomme?

Erkenntnis des Tages: Du kannst die tollen Pläne machen, aber wenn die GDL dir in die Quere kommt ist alles für’n Arsch.


5 Antworten zu “Eselsweg: Von Wildensee nach Großheubach”

  1. Auf dem Selfi sieht man dir die Zufriedenheit an, die jemand im Gesicht trägt, der etwas geleistet hat. Nun hast du die 111 km hinter dir – Klasse!
    Euch wünsche ich einen schönen gemeinsamen Urlaub. Und merke: wenn da am Baum auf dem Wanderweg ein Schild steht mit: “ Gasthof … 1 km“, dann ist der noch mindestens 2 km entfernt. Aber zu erzählen, dass etwas für Kinder geeignet sei, und dann ist es gar nicht so, das ist eigentlich nicht verzeihbar.
    Tschüß und eine schöne Woche!
    Vater, Schwiegervater und Opa

  2. Mit Interesse habe ich den Bericht über die Spessartdurchschreitung gelesen. Sorry, aber hier ist eine Heulsuse unterwegs! Vielleicht zukünftig doch besser das heimische W-LAN-Netz in der Großstadt nicht verlassen und auf die nächste Lieferung von Amazon warten! Das Leben und Überleben kann für die gut gepamperte Freizeitgesellschaft im tiefen Spessart – auch im Jahre 2017 – nicht garantiert werden.

      • Jaa, das ist immerhin ein lobenswerter Ansatz! Bei der nächsten Tour einfach mal das iPad & Co zu Hause lassen und die schöne Natur genießen….

        • Danke 🙂

          Equipment daheim lassen geht leider nicht – das Gadget ersetzt die unhandlichen Papier-Wanderkarten, das Papier-Tagebuch und längst auch die schwere Spiegelreflex-Kamera. Hätte ich es nicht dabei gehabt, hätte ich ja auch meine Eindrücke hier gar nicht sinnvoll posten können.

          Außerdem muss ich regelmäßig Mails und Social Media checken – ich bin selbstständig, was in meinem konkreten Fall eine Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit voraussetzt. Für viele Menschen ist das undenkbar, ich find’s jedoch komplett okay.

          Und die Natur genießen kann ich auch mit elektronischen Geräten. 🙂