Eselsweg: Von Weibersbrunn nach Wildensee


Eins vorweg – dieser Beitrag geht irgendwann anders online statt wie gewohnt am Abend des Tages. Denn ich habe in Wildensee kein mobiles Internet. Nicht einmal EDGE, was zivilisatorisch so etwas wie die Jungsteinzeit des mobilen Internets darstellt. Um genau zu sein habe ich sogar kein GPRS, sprich: Ich kann nicht einmal telefonieren. Kein Netz. Gar keins. Die Wirtin sagt dazu: »Ja, desch isch hier so.« Jungsteinzeit? Schön wär’s.

Heute früh war ich um acht Uhr abmarschbereit. Ich würde gerne kein gutes Haar an der Pension Burger lassen, aber immerhin habe ich gut geschlafen. Ich wanderte die 300 m zum Haupthaus, wo ich den Schlüssel abgab, das Frühstück mit der Ausrede verweigerte, dass ich verschlafen hätte und eigentlich schon vier Kilometer weiter sein wollte, zahlte 25 Euro und ging. Um die Ecke war ein Bäcker, dort vertilgte ich unter den Augen einer sehr skeptisch dreinschauenden Bäckereifachverkäuferin ein staubiges Croissant (also kriegen sie die in Bayern auch nicht richtig hin) und trank einen schlechten Tchibo-Kaffee aus dem Vollautomaten.

Dann latschte ich unter Missachtung des Schildes »Fußweg zur Fachklinik« entlang der quasi unbefahrenen Landstraße den weniger anstrengenden, ebenen Weg bis zur Autobahnbrücke, statt mich einmal auf den Berg rauf und wieder runter zu quälen. Das hatte ich gestern schon durch.

Beeindruckende Höhe einer Autobahnbrücke
Beeindruckende Höhe einer Autobahnbrücke

Die Autobahnbrücke über die A3 bei Weibersbrunn soll die höchste in Deutschland sein. Ob das stimmt, weiß ich nicht, in jedem Fall ist die Höhe beeindruckend. Ebenfalls beeindruckend ist das Ausmaß der Baustelle, die sich dort erstreckt – offenbar wird hier der komplette Berg bewegt, um die Autobahn zu begradigen oder weitere Spuren anzulegen.

Riesige Baustelle im Miniaturformat
Riesige Baustelle im Miniaturformat

Bedingt durch die Baustelle und den versetzten Berg verläuft der Eselsweg jetzt anders als auf der Karte. Er ist dennoch dank guter Ersatzausschilderung zu finden, allerdings ist die neu angelegte Autobahnzufahrt samt Kreisel überhaupt nicht für Fußgänger oder gar langsame Wanderer geeignet. Offenbar hat hier bei der Planung der Anlage niemand an den bestehenden Wanderweg gedacht. Glücklicherweise lief alles gut, da dort zumindest im Moment sehr wenig Verkehr fließt.

Dann ging es Stunde um Stunde quasi parallel zur Autobahn. Selbst mit einem guten Kilometer dicht bewaldeten Abstands zur Fahrbahn und einem Berg zwischen mir und dem Verkehrsstrom konnte ich teilweise einzelne Fahrzeuge mit dem Gehör differenzieren. LKW, noch ein LKW, noch ein LKW, schnelles Motorrad, LKW. Das hat mich betroffen und sehr nachdenklich gemacht.

Solitär stehende Buche als Wegweiser
Solitär stehende Buche als Wegweiser

Der Weg war heute wenig spektakulär, eher im Gegenteil. Fast ausschließlich musste ich auf geschotterten Forstwegen gehen, was auf der von 0 bis 10 reichenden Gero-Skala für Fußwegbequemlichkeit bei 1 rangiert, nur noch unterboten von Asphalt.

Laura-Gedächtnis-Selfie mit sexy Bart.
Laura-Gedächtnis-Selfie mit sexy Bart.

Die wenigen Gelegenheiten, die schöneren Waldboden boten (auf der Skala 7 bis 10), waren mit nur zwei oder drei Ausnahmen in der Nähe von Landstraßen oder Parkplätzen gelegen und voller Müll und Unrat. Auch war der Wald heute tendenziell durchforsteter und aufgeräumter (will heißen: leerer) als in den Tagen zuvor.

Überhaupt – heute traf ich auf den Wanderwegen des Eselswegs mehr Menschen als in den vergangenen Tagen seit Beginn der Wanderung zusammengenommen. Meist handelte es sich um Pilzsucher, und die machten reiche Beute: Eine Mutter mit ihrer Tochter erzählte mir, dass sie nur noch Steinpilze sammelten; es gäbe gerade so viele davon. Sie hatten einen großen, grünen Plastikbeutel dabei, wie man ihn beim Gemüsehändler oft bekommt – er war halbvoll mit Steinpilzen.

Ich machte heute zwei Mittagspausen. Dabei musste ich meine Reserven angreifen, denn erstmals hatte ich heute keine Brote zum Mitnehmen geschmiert. Wo auch? Also aß ich Müsliriegel, Frühstückskekse und harte, sehr, sehr salzige Mettwurst. Und trank anschließend mein halbes Camelbak leer.

Dann kam ich zum »Fliegerkreuz«. Flieger? War ich doch auch mal! Also schlitterte ich den steilen Abhang hinab, um zu sehen, was das wohl sei.

Fliegerkreuz? Meine Neugierde war geweckt.
Fliegerkreuz? Meine Neugierde war geweckt.
Unteroffizier Ullrich Braun zerschellte an dieser Stelle mit seiner Messerschmidt 109.
Unteroffizier Ullrich Braun zerschellte an dieser Stelle mit seiner Messerschmidt 109.

An dieser Stelle starb also ein wahrscheinlich nicht allzu alter Pilot namens Ullrich Braun in den Trümmern seiner Me109-Jagdmaschine, nachdem er im Luftkampf mit alliierten Maschinen abgeschossen worden war.

Sei sein Tod uns Mahnung. So steht es auf der Tafel.

Heute war das Wetter übrigens endlich mal ganz okay. Es war nicht zu warm und nicht zu kalt, ich schätze, so um die 18 Grad werden wir gehabt haben. Zum Schluss kam sogar ein bisschen die Sonne heraus und schien durch die Zweige.

Wie hieß noch mal dieses große, helle Dings am Himmel?
Wie hieß noch mal dieses große, helle Dings am Himmel?
Da vorne! Ein Sonnenstrahl!
Da vorne! Ein Sonnenstrahl!

Am Ende wanderte ich über eine Landstraße nach Wildensee hinunter, wo ich übernachten wollte. Das hatte ich telefonisch mit Frau Beck geklärt, die mich herzlich in Empfang nahm. Am Telefon hatte sie noch gesagt, dass alle Gastwirtschaften der Gegend gerade geschlossen hätten und ich deshalb…, hach, wie mache mer desch nur? Ich fragte sie, ob ich eine Scheibe Brot bekommen könne. Ja klar, a Veschper könne sie mir scho mache. Wenn mer des reiche tut? Klar tut mer desch reiche.

Frau Beck betreibt eine Privatpension. Hier ist alles reichlich alt, der Charme der 1970er Jahre kommt einem da entgegen. Es gibt auf den Zimmern weder Fernseher noch Telefon noch WLAN (noch Mobilfunk, dafür kann jedoch nur die Telekom was), aber ein Fernsehzimmer ist vorhanden, in dem auch Gesellschaftsspiele liegen.

Ich war kurz nach 15 Uhr angekommen – und kurz nach 8 Uhr losgegangen. Trotz zweier Pausen war ich auf diesem langen Tourenabschnitt nur sieben Stunden unterwegs. Dafür waren meine Füße heute dank des beinahe durchgängig hervorragenden Untergrunds besonders platt.

Die Vesper war natürlich hervorragend, wie übrigens auch das Radler. Und weil ich mangels Internet und eigenem Fernseher nichts sinnvolles mit mir anzufangen weiß (im Fernsehraum schaut man einen Andrea-Sawatzki-Film), horche ich jetzt ein wenig an der Matratze. Gute Nacht. Frühstück gibt es übrigens erst ab halb neun. Halb neun!

Erkenntnis des Tages: Es geht im Jahre 2014 auch ohne mobiles Internet und Telefon. Aber geil ist das nicht. Und auch nicht akzeptabel.


Eine Antwort zu “Eselsweg: Von Weibersbrunn nach Wildensee”

  1. Lieber Gero, das war wieder ein schöner, gut zu lesender Bericht. Und gute Bilder hast du gemacht. Bayern – das hat schon so seine Tücken, oder? Wie das die Bayern in diesem Lande nur aushalten?!
    Heute abend hast du die Tour hinter dir. Herzlichen Glückwunsch, dass du trotz der anfangs üblen wundgescheuerten Körperteile durchgehalten hast. Und wenn ihr euch morgen in Nürnberg trefft, kann der gemeinsame Urlaub beginnen. Was wird sich der Sohn freuen, wenn er dich wieder sieht! Ich wünsche euch eine schöne Zeit in Berchtesgaden.
    Bis bald in Ilmenau
    Dein Vater und ganz herzlich Mutti