Eselsweg: Von Mernes nach Flörsbach


Nach einem wunderbaren Frühstück im Gasthaus »Zum Jossatal« ging ich heute etwas später als gestern los. Dafür war die Strecke, die vor mir lag, auch vier Kilometer kürzer.

Die Sonne schien und etwas optimistisch hatte ich ein kurzärmeliges Hemd angezogen. Die Kühle des Morgens wurde durch die wärmende Sonne überstrahlt, so dass ich erst im Schatten des Waldrands merkte, wie kalt es wirklich war. Aber vom Anstieg war mir so warm, dass ich dampfte. Ich beließ es bei den kurzen Ärmeln.

Ich wählte einen anderen Weg als den, den ich gestern Nachmittag ins Tal hinunter gewählt hatte, aber auch dieser hier war nicht ohne. Zunächst ging es steil bergan, dann querte ich eine Landstraße, dann ging es weiter bergan. Schließlich gelangte ich zur zweiten Landstraße, und ab da gestaltete sich der Eselsweg etwas unübersichtlich.

Kultur am Eselswegesrand
Kultur am Eselswegesrand

Die wunderbaren, gut platzierten Markierung, die ich gestern noch lobend erwähnen wollte (und genau das vergessen habe), das schwarze E auf weißem Grund, fehlte nämlich überraschenderweise ab der L3179 fast völlig. Glücklicherweise konnte ich mich recht gut orientieren, da der Eselsweg hier schnurstracks geradeaus gehen und parallel der Karte laufen sollte. Doch als Wanderwegmarkierung gab es lediglich einen Fuchs, kein E. Nach ein paar Hundert Metern wurde ich unsicher. War ich hier wirklich richtig? Immerhin ging es ganz schön aufwärts, ich hatte keine Lust, das wieder zurück laufen zu müssen.

Schließlich entdeckte ich ein E. Völlig verwittert. Und in der Gegenrichtung. Aber zehn Meter weiter hatten gleich zwei benachbarte Bäume das aufgemalte E am Stamm. Drei Markierungen auf zehn Meter – und vorher über Hunderte Meter nicht. Und danach auch wieder nicht.

Verwittertes E am Wegesrand - nur in Gegenrichtung zu finden
Verwittertes E am Wegesrand – nur in Gegenrichtung zu finden

Das war der Markberg – mit 516 Metern die höchste Erhebung heute. Der Forstweg ging danach ebenso steil bergab wie zuvor bergauf. Bis hinunter zu einem Parkplatz. Von einem E keine Spur. Sehr verwirrend alles, weil hier mehrere Wege abgingen. Die Karte behauptete, dass ich auf der Landstraße zu laufen habe – über anderthalb Kilometer etwa. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Und siehe da: Links neben der Straße erstreckte sich ein versumpfter Pfad – mit einem E. Von hier an fand ich wieder häufig Markierungen.

Challenge accepted!
Challenge accepted!

Dieser Teil des Eselsweges war ziemlich interessant. Der Spessart ist bekannt als größter zusammenhängender Mischlaubwald Deutschlands. Davon war hier nicht viel zu sehen. Hoch aufragende Fichten dominierten das Bild, und wo mal keine hoch aufragende Fichten waren, da war eine Lichtung, die irgendein Sturm großflächig in die Monokultur gefräst hat. Und weil die Forstwirtschaft per se unglaublich schlau ist, hat sie neue Fichten gepflanzt. In Monokultur. Wobei die eine oder andere Lärche auch dazwischen stand.

Der 500 Meter hohe Rosskopf. Wer mogeln will, steigt den Hochsitz rauf.
Der 500 Meter hohe Rosskopf. Wer mogeln will, steigt den Hochsitz rauf.

Später lief ich in der Gegend um den 500 Meter hoch gelegenen Rosskopf wieder durch ein unglaublich schlecht beschildertes Stück Wald, bei dem ich »Endlich: ein Eichenwald« dachte. Doch 100 Meter in den Wald hinein hörten die Eichen auf und dahinter standen wieder Fichten. Sieht stark nach schönem Schein aus.

Von wegen Eichenwald - guckt mal die hinteren Bäume an. Das sind Fichten.
Von wegen Eichenwald – guckt mal die hinteren Bäume an. Das sind Fichten.
Noch mehr getarnte Fichten im Hintergrund
Noch mehr getarnte Fichten im Hintergrund

Der Forstweg, auf dem ich die ganze Zeit lief, war so gut wie unmarkiert. Ich folgte einem einzigen Wegweiser, den ich gefunden hatte und der den Weg nach Lettgenbrunn (3,5 km) wies. Doch irgendwann endete der Forstweg auf einem Platz, auf den sternförmig fünf Wege mündeten. Zwei besaßen Markierungen, keine war ein E. Ich folgte der, die mich auch bisher begleitet hatte und stand nach 300 steil abwärts führenden Metern auf dem Parkplatz an einer Landstraße. Mitsamt Hindenburg-Denkmal, das zu dessen 80. Geburtstag errichtet worden war. Hier war Schluss und ich falsch. Also die 300 Meter wieder zurück und den nächsten Versuch gestartet. Kaum bog ich um die Ecke, leuchtete mir das freundliche E des Spessartbunds entgegen.

Mir war mittlerweile so kalt geworden, dass ich meine Mechanix-Handschuhe anzog. (Nichts geht bei Regen und Wanderstäben über Handschuhe!) Langärmelige Klamotten wollte ich anziehen, sobald ich Mittagspause machte – also in Lettgenbrunn, das noch rund zwei Kilometer entfernt liegen sollte.

In der Nähe von Lettgenbrunn wurde die Beschilderung endlich wieder besser. Viel besser. Bei diesem Ort verlässt der Eselsweg den Wald und man befindet sich auf einer Hügelkuppe oberhalb des Ortes. Wiesen dominieren das Bild. Hier stand eine Bank mit Blick auf die 800-Seelen-Gemeinde. Und weil gerade Mittagszeit war, steckte ich meine Leki-Teleskopstäbe in die Erde, zog mein durchgeschwitztes Kurzarmhemd aus, hängte es darüber zum Trocknen in den Wind, zog mir eine winddichte Fleece-Jacke an, ließ ich mich nieder und packte meine Brote aus.

Es war herrlich.

Ich ließ mir meine Brote und ein hartgekochtes Ei schmecken und den kühlen Wind um die Ohren pfeifen. Schließlich, ich war gerade fertig geworden, kam eine ältere Dame des Wegs, die mir eine gute Wanderung wünschte. Wir kamen ins Gespräch, schließlich vertilgten wir gemeinsam noch einige staubige Kekse aus meiner eisernen Ration. Es stellte sich heraus, dass sie in der Gegend gelegentlich als Wanderführer aushalf und entsprechend viel hatte sie zu erzählen. Nach rund einer Stunde anregenden Gesprächs trennten wir uns. Ich wanderte in den Ort hinunter, von dem ich mittlerweile wusste, dass er mehrfach zerstört worden ist (zuletzt diente er der Wehrmacht als Truppenübungsplatz und Bombenabwurf-Übungsgelände), in dem gelinde gesagt der Hund verfroren ist. Kein Laden, keine Apotheke, kein gar nix. Ein Bäcker war da, der geschlossen hatte, ein Gasthaus mit heruntergelassenen Rolläden und ein zweites Gasthaus mit Mittagstisch und ohne Gäste.

Es begann zu regnen. Vor einem Holzhandel rödelte ich mein Regenzeug vom Rucksack und zog es an, und als ich fertig war, hatte es mit dem Regen schon wieder aufgehört. Nun musste ich wieder einen Berg über freies Feld hochschnaufen. Am Waldrand versperrte mir ein total verrostetes Tor den Weg. Irgendwie konnte ich dann doch den Hebel umlegen und so eintreten in das unheimlichste Stück Wald, das mir bislang untergekommen ist.

Vielleicht lag es an dem verrosteten Tor, aber ich hatte wirklich das Gefühl, jetzt eine andere Welt zu betreten. Kein Geräusch war zu hören, kein Tier zu sehen. Nicht mal ein Mistkäfer oder eine Schnecke, die mir in den letzten beiden Tagen zu Hunderten unter den Füßen kreuchten und fleuchten. Der Wald war dicht und finster, der Boden dunkel, der Weg schon lange nicht mehr vom Forstbetrieb genutzt. Er wand sich von einer zur anderen Seite, ging einige Meter steil hoch, dann wieder herunter. Irre. Nach ein paar Hundert Metern war es dann aber leider schon vorbei mit dem verwunschenen Wald.

Bis zum Waldrand ging es ungefähr noch einen Kilometer weiter, dann betrat ich eine riesige Wiese. Hier führt der Eselsweg am Waldrand entlang und dann zwischen zwei Wiesen bergab ins Tal hinunter. Oberhalb von Flörsbach verließ ich den Eselsweg, um in den Ort zu gehen. Am Ortsende lag mein Quartier für die Nacht, der Flörsbacher Hof, die einzige Unterkunft, die in diesem Ort zu haben war.

Auch das ist der Spessart - weite, offene Wiesen mit Wildblumen und Kräutern
Auch das ist der Spessart – weite, offene Wiesen mit Wildblumen und Kräutern

Flörsbach ist zwei Kilometer lang. Ich begann an einem Ende und endete hinter dem Ortsschild am anderen Ende. Der Ort ist so uninteressant, dass man nicht einmal die Bürgersteige hochzuklappen braucht, denn die sind größtenteils ohnehin zu schmal für einen Fußgänger. Geschäfte gibt es selbstredend nicht – außer einer Volksbank ohne EC-Automaten und einem Bringdienst für deutsche, indische und italienische Küche. Keine Apotheke, kein Friseur, keine Post, keine Lebensmittelladen – nichts.

Am Ende komme ich im Flörsbacher Hof an – von außen nix dolles, aber innen gemütlich eingerichtet. Das Zimmer ist sogar auffallend modern ausgestattet, es gibt WLAN (das ist wichtiger als TV oder Zimmertelefon) und einen Safe.

Nach einer wunderbaren heißen Dusche fühlte ich mich wieder wie ein Mensch und ging in die Gaststube. Dort bestellte ich mir Bandnudeln mit Pfifferlingen und Rahmsauce, die mit einem kleinen Wildkräuter-Salat kommen sollten. Ich bekam zwei volle Hauptmahlzeiten. Beide Portionen waren riesig. Die Bandnudeln und Pfifferlinge waren sehr lecker, aber damit kann man kaum etwas falsch machen (außer die Bandnudeln zu verkochen und die Pfifferlinge aus der Dose zu nehmen vielleicht).

Bandnudeln mit Pfifferlingen in Rahmsauce
Bandnudeln mit Pfifferlingen in Rahmsauce

Umso gespannter war ich auf den Salat, der aus Brennesseln, Löwenzahn, Sauerampfer und vielen anderen Kräutern (und als Unkraut diffamierten Pflanzen) bestand. Er war fan-tas-tisch. Bei der Brennessel habe ich kurz gezögert, aber auch die war lecker. Nur die Blümchendeko habe ich liegen gelassen.

Kleiner Wildkräutersalat
Kleiner Wildkräutersalat

Anschließend gab es für mich einen Spessart-Whiskey, worüber ich aber an anderer Stelle berichte.

Erkenntnis des Tages:
Das nächste Mal, wenn ich zu dieser Jahreszeit in den Spessart gehe, habe ich einen Bachelor in Pilz-Erkennung abgelegt und führe ein Spankörbchen mit mir. Tonnenweise Pilze standen links und rechts des Weges. Einen Steinpilz, der allerdings schon älteren Datums war und nicht mehr ganz taufrisch aussah, habe ich erkannt. Ein paar Pfifferlinge auch. Und diesen rot-weißen Pilz, der einen, wenn man ihn isst, Farben sehen lässt. Wer also anständige Pilzkenntnisse hat, der kann sich seine Übernachtungen vermutlich im Vorbeigehen verdienen.


Eine Antwort zu “Eselsweg: Von Mernes nach Flörsbach”

  1. Das ist ja wieder mal ein schöner Bericht. Ich hatte ihn schon die ganze Zeit vermisst.
    Mach`s gut auf deiner weiteren Tour und hab weiterhin so schöne Eindrücke. Und ab morgen hast du bestimmt auch wieder wärmeres Wetter.
    Viele Grüße aus dem trüben, jedoch sich allmählich aufhellenden Bennigsen, wo aber ein fröhlicher, lieber kleiner Enkel den hellsten Sonnenschein verbreitet.
    Opa Bennigsen